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Einige Beiträge zu Meerwasseraquarien
Calciumversorgung im Meerwasseraquarium
Gastbeitrag von Axel Böhmert - Fa Korallin
veröffentlicht mit der freundlichen Erlaubnis des Autors
Die geschätzten 2 Millionen Quadratkilometer Korallenriffe
haben Kalkbildungsraten im Riffdach pro Jahr zwischen 3 und 5 kg
Calciumcarbonat pro m2. Der Calciumgehalt liegt bei 400 - 420 mg/l ,
die Karbonathärte um 8°.
Dieser Kalifizierung genannte Prozess des Skelettaufbaus von Korallen
und Kalkrotalgen kann durch folgende chemische Reaktionsgleichung
wiedergegeben werden:
Ca2+ + 2HCO3 = Ca(HCO3)2 = CaCO3 + H2CO3
Calcium + Hydrogencarbonat = Calciumhydrogencarbonat = Calciumcarbonat + Kohlensäure
Man sieht an dieser Gleichung, dass für die Kalksynthese zwei
Ausgangsstoffe notwendig sind: Calcium und Hydrogencarbonat. Aus deren
Umsetzung über das Calciumhydrogencarbonat resultiert Kalk und
Kohlensäure. Die Kohlensäure wird von der symbiotischen Alge
verbraucht, das übrigbleibende Calciumcarbonat kann dann dem
Skelettaufbau dienen, es wird von den Korallen auf einer Matrix aus
Proteinen abgelagert.
Das Erkennen dieses Zusammenhanges stellte meines Erachtens den
entscheidenden Schritt in der Meerwasseraquaristik dar, welchem wir es
verdanken, dieses Hobby mittlerweile mit so großen Erfolgen
auszuüben.
Wir kennen im Prinzip 4 verschiedene Methoden, das verbrauchte Calcium dem Aquariensystem wieder zuzuführen:
1) das CaCl2 / NaHCO3 - Verfahren (Calciumchlorid und Natriumhydrogencarbonat)
2) Kalkwasserzugabe
3) Kalkwasser in Verbindung mit einer Kohlendioxidzugabe
4) C02- Kalkreaktor
Methode 1 (u.a. von
Balling und Pawlowski propagiert) geht von 2 chemischen Verbindungen
aus, von welchen 2 Stammlösungen zur Nachdosierung hergestellt
werden: Calciumchlorid (CaCl2) und Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3).
Die Erhöhung des Calciumgehaltes ist mit dieser Methode am
schnellsten zu erreichen. Von Vorteil ist diese Methode, wenn Aquarien
nur über eine sehr geringe Verdunstungsrate verfügen welche
den Einsatz von Methode 2), die Kalkwasserzugabe, in ausreichender
Menge ausschließt. (48 ml dieser Lösung entsprechen 1 I
Kalkwasser!). Darüber hinaus hat diese Methode im Gegensatz zur
Kalkwasserzugabe keine u. U. drastische Auswirkung auf den PH Wert.
Beide Lösungen sind für sich getrennt aufbewahrt chemisch
stabil. Da jedes Calciumion wie aus obiger Gleichung ersichtlich zwei
Hydrogencarbonat-Ionen benötigt, um Calciumhydrogencarbonat zu
bilden, ist unter Berücksichtigung der Elementmassen je Mol ein
Gewichtsverhältnis von 7 zu 8 anzuwenden (Calciumchlorid-Dihydrat
zu Natriumhydrogencarbonat) .
Fast scheint es, die ideale Lösung sei gefunden, wäre da
nicht ein kleiner Haken, betrachten wir uns die Reaktionsgleichung:
CaCl2 + 2 NaHCO3 = Ca2+ + 2HCO3 + 2 NaCl
Calciumchlorid + Natriumhydrogencarbonat = Calcium + Hydrogencarbonat + Kochsalz
Pro Gramm Calcium fallen also darüber hinaus ca. 2,9 g Kochsalz
an! Entgegen den Calcium und Hydrogencarbonat-Ionen, die ja durch
Kalifizierung und Skelettaufbau verbraucht werden, wird das
Natriumchlorid jedoch im Aquarienwasser angereichert. Auf den ersten
Blick erscheint dies vernachlässigbar, sind diese Salze (Natrium +
Chlorid) sowieso die Hauptbestandteile des Meerwassers.
Zwar kann durch Wasserwechsel der resultierende Dichteanstieg
ausgeglichen werden, nicht aber das Verhältnis der einzelnen Ionen
zueinander. Auf den ersten Blick ist die zugeführte Menge zwar
sehr klein, aber auf das ganze Jahr umgerechnet doch nicht zu
unterschätzen.
Es ist heute noch unklar, inwieweit die Toleranz von Wirbellosen geht,
dieses Änderung eines seit Jahrmillionen bestehenden
Gleichgewichtes zu tolerieren.
Teilweise Abhilfe schafft der Einsatz von natriumchloridfreiem Kochsalz
wie z.B. von Tropic Marin erhältlich. Durch Verwendung dieses
Salzes kann bei Wasserwechseln diese Verschiebung wieder aufgehoben
werden. 36,8 % der zugesetzten Menge bleiben als Natriumchlorid in
Lösung Von dieser Menge müssen wiederum 42,3 % aus
natriumchloridfreiem Meersalz zugesetzt werden.
Die vorgenannte Methode setzt also voraus, dass der Aquarianer die
lonenzusammensetzung kennt bzw. permanent nachrechnet, welche Mengen er
ausgleichen muss. Ob er dies auf Dauer wirklich tut bzw. tun will kann
nur jeder Aquarianer für sich selbst beantworten.
Methode 2 die
Kalkwasserzugabe ist wohl die älteste gebräuchliche Methode
und wurde von Wilkens bereits in den 70ern propagiert. Kalkwasser ist
eine gesättigte Lösung aus Calciumhydroxid Ca(OH)2 und
Wasser. Es stellt allerdings nur eines der für die Kalifizierung
benötigten Ionen zur Verfügung gestellt, Ca2+, also das
Calciumion, störende Ionen wie bei Methode 1) fallen allerdings
weg (die entstehenden OH Ionen werden durch die Pufferkapazität
des Wassers neutralisiert, wenn nicht überdosiert wird).
Hierbei sind nicht nur die Ca2+ Ionen sondern auch die entstehenden
Hydroxid - Ionen vorteilhaft, da organische Säuren aus
Abbauprozessen neutralisiert werden, die sonst die Pufferkapazität
herabsetzen würden.
Die Reaktionsgleichung sieht hier wie folgt aus:
Ca(OH)2 + H2O = Ca2+ + 2OH- + H2O
Calciumhydroxid + Wasser = Calcium + Hydroxid + Wasser.
Ist freie Kohlensäure verfügbar, laufen im Kalkwasser folgende weitere Reaktionen ab:
Ca2+ + 2OH- + CO2 = Ca2+ + CO3/2- + H2O und weiter Ca2+ + CO3/2- =
CaCO3, d.h. unter Zuführung von Kohlensäure fällt unser
Calcium als Calciumcarbonat aus, der pH Wert fällt. Ist dieser
unter 10, beträgt der Anteil an Ca2+ nur noch 5 bis 6 mg/l, bei
diesem Wert ist das Kalkwasser praktisch nutzlos. Angesetztes
Kalkwasser muss aus diesem Grunde daher immer fest verschlossen
aufbewahrt werden, da es aufgrund seines basischen pH-Wertes CO2 aus
der Luft anzieht.
Wird das Kalkwasser dem Aquarium zugeführt, entsteht
Calciumhydrogencarbonat (CO3/2- und HCO3 sind im Aquarienwasser bereits
enthalten) Ca2+ + HCO3 = Ca(HCO3)+, dies ist natürlich
abhängig von der zur Verfügung stehenden HCO3 Menge.
Bei Übersteigen der Löslichkeitsgrenze (Zugabe von zuviel Ca2+ oder HCO3) fällt CaCO3 milchig trüb aus.
Das Hydroxid ist stark basisch und lässt den pH Wert steigen, bei
gesättigtem Kalkwasser (in 1 I Wasser von 20°C lösen sich
1,26 g) auf pH 12,4. Es darf deshalb nie in großen Mengen
zugesetzt werden, da es zu starkem pH - Anstieg im Becken kommen kann,
da die OH Ionen vom Puffersystem dann nicht mehr neutralisiert werden
können.
Aufgrund des alkalischen pH Wertes sollte nur in Dunkelphasen (pH wegen
CO2 Produktion am niedrigsten) und nur in kleinen Schüben
("Tröpfchenmethode'') zugeführt werden.
Ein weiterer zu nennender Vorteil dieser Methode ist auch die Ausfällung von organischen Phosphaten.
Die Instabilität dürfte als grösster Nachteil der
Kalkwassermethode betrachtet werden, am effektivsten ist es daher, es
täglich neu anzusetzen. Dies verbunden mit der zu empfehlenden
Tröpfchenmethode (bei einem 700 l Becken kann als Erfahrungswert
von einem Bedarf von 5 1/ Tag ausgegangen werden), welche doch einen
nicht unerheblichen täglichen Aufwand erfordert, machen diese
Methode zudem recht anfällig für unterschiedliche
Motivationslagen des Pflegers.
Methode 3
unterscheidet sich von vorgenannter Kalkwasserzugabe durch den
zusätzlichen CO2 Eintrag ins Becken. Das zugeführte CO2
stellt so den zweiten Grundbaustein der Kalkifizierung zur
Verfügung. Durch eine Steuerung wird verhindert, dass der pH-Wert
im Becken über den eingestellten Toleranzwert nach oben oder unten
steigt.
Bei Anwesenheit von Algennährstoffen (Nitrat, Phosphat) besteht
allerdings die Gefahr, dass es zu einem unerwünschten
Fadenalgenwachstum kommt, nährstoffarmes Wasser ist also eine
wichtige Voraussetzung bei Anwendung dieser Methode.
Eine sehr gutes elektronisches Mess- und Regelsystem (Messgenauigkeit,
nicht Anzeigegenauigkeit!) sind ein absolutes Muss, da eine falsche CO2
Dosierung katastrophale Folgen für das System haben kann.
Methode 4 ist die
Zuführung von Calciumhydrogencarbonat mittels Kalkreaktor. In
diesem wird Calciumcarbonat, welches in Form von Korallenskeletten
eingefüllt wird, unter Zuführung von Kohlensäure
gelöst und somit beide Bausteine der Kalifizierung wieder
freigesetzt: Ca2+ Ionen und Hydrogenkarbonat. Die Reaktionsgleichung
ist praktisch gleich der Kalifizierung (s.o.).
Die ersten Modelle waren jedoch wenig erfolgversprechend. Sie bestanden
aus großen Säulen, welche mit Korallenbruch befüllt
waren. Das Wasser wurde wie bei einem Abschäumer durchgeleitet und
tatsächlich aus der Erhöhung des Calciumhydrogencarbonates
resultierend eine Erhöhung der Karbonathärte um wenige Grad
festgestellt. Das Problem was mit dieser Ausführung aber nicht in
den Griff zu bekommen war, war die große Menge freier
Kohlensäure, welche das Auslaufwasser enthielt, der pH Wert betrug
6,8 (bei CO2 Sättigung).
Erst, als man auf die Idee kam, das Wasser nicht nur einmal sondern
permanent über das Substrat zu leiten, war eine praktikable und
effektive Lösung gefunden.
Wird z.B. dem Korallin C 1500 0,5 1 in der Stunde entnommen, wurde
dieser vorher 600 mal über das Substrat geleitet, bei einer
Füllhöhe von 30 cm entspricht dies bei Einfachdurchleitung
einer Rohrlänge von 180 Metern!
Die hieraus resultierende hohe Calciumhydrogencarbonatmenge (30 -
40° KH) ermöglicht es, nur wenig Wasser dem Reaktor entnehmen
zu müssen, da ja auch dessen Innenleben einen pH Wert von 6,8 hat.
In der Regel genügen hier schon 30 Tropfen in der Minute, um den
gewünschten Effekt zu erzielen.
Bei der konstruktiven Auslegung sollte allerdings unbedingt darauf
geachtet werden, dass überschüssige Kohlensäure nicht
einfach mit ausgetragen wird (dies wird häufig als "automatische
Entlüftung" bezeichnet). Schon 10 Blasen in der Minute zuviel
summieren sich im Laufe eines Tages zu der imposanten Menge von 14.400
Blasen! Diese Gasmenge tropfte dann wie das entnommene Wasser aus dem
Gerät und kann sich, da schwerer als Luft, wie eine Glocke auf das
Becken legen. Ich bin sicher, dass viele Probleme, welche dem
Kalkreaktorprinzip als solchem zugeschrieben werden (Fadenalgenwachstum
etc.), aus Fehlbedienungen oder mangelhafter Sicherheitseinrichtung am
Reaktor entstehen.
Dies kann einerseits das freie mit ausgetragene CO2 sein, andererseits
eine zu kurze Durchlaufzeit, d.h., zu geringe Aufhärtung.
Erst wenn der Pfleger den Umgang mit dem Gerät seiner Wahl erlernt
hat, sollte eine Einstellung gewählt werden, bei welcher die (nur
sehr geringe Menge) überschüssiges Kohlensäuregas mit
ausgetrieben wird (dies sollten nur sehr wenige Blasen/Tag sein).
Man muss sich im Klaren sein, dass ja nur für die zulaufende Menge
(= ident. auslaufende Menge) CO2 benötigt wird, um diese zu
sättigen. Bei 30 Wassertropfen sind dies unter 10 Blasen (in
Größe dieser Tropfen).
Sinnvollerweise sollte ein Kalkreaktor 24 h laufen, da er ansonsten bei
nur Tagesbetrieb doppelt soviel leisten müsste. Bei Lauf rund um
die Uhr kann die Entnahmemenge im Gegensatz zum Tagesbetrieb praktisch
halbiert werden und enthält somit weniger freie Kohlensäure.
Die CO2-Menge eines Kalkreaktors sollte nie in der Form geregelt
werden, dass der pH Wert des Beckens ursächlich für die
Zugabe in den Reaktor ist. Diese Anordnung kann nur als
Sicherheitsabschaltung fungieren, da der pH Wert des Reaktors (bzw.
dessen CO2-Bedarf zur Sättigung bis pH 6,8) nichts mit dem
Beckenwert gemein hat. Eine Steuerung könnte nur über das
Reaktorwasser selbst führen, also pH 6,8 CO2 Zufuhr abschalten, pH
6,9 anschalten. Einen Vorteil bietet diese Methode aber im Vergleich
zur optischen Kontrolle (Blasenbildung bei Überschuss im Reaktor)
nicht. Man benötigt hierzu darüber hinaus ein sehr
präzises Messinstrument (wobei die Messgenauigkeit ausschlaggebend
ist, nicht die Anzeigegenauigkeit!) mit regelmäßigem
Wartungsaufwand für die Elektrode.
Wird ein Phosphateintrag durch die im Korallenskelett eingeschlossene
geringe Menge organischer Stoffe befürchtet, lässt sich dies
leicht durch vorheriges Reinigen des verwendeten Korallensandes mit 5 %
Natronlauge vermeiden (ca. 24 h "einlegen").
Versuche haben gezeigt, dass sich die Leistung eines Kalkreaktors noch
erhöhen lässt, wenn das Substrat "vibriert" bzw.
"gerüttelt" wird. Ideal wäre hier ein Prinzip wie das der
rotierenden Trommel einer Waschmaschine. Allerdings würde das die
Herstellungskosten erheblich steigern und wäre sicher nur bei
Großanlagen mit immensem Verbrauch vonnöten.
Einer der entscheidenden Vorteile eines CO2 Kalkreaktors dürfte
meines Erachtens in seinem einfachen und wartungsarmen Betrieb liegen.
Auch ohne Kenntnis der näheren chemischen Zusammenhänge
(welche bei vorgenannten anderen Methoden vonnöten sind) kann der
Pfleger eine ausreichende Calcium - Versorgung seines kleinen Riffs
sicherstellen. Dies ermöglicht nicht nur einer kleinen Schar von
"Freaks" das Halten vieler kalkverbrauchender Niederer Tiere und ist
somit ein Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Riffe, da
erfolgreiche Pflege und Vermehrung im Meerwasseraquarium die Entnahmen
aus der Natur auf ein Minimum reduziert.
Axel Böhmert
http://www.korallin.com/
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